Bei manchen Freelancern sind missliche Lagen ein Dauerzustand: Entweder bleiben Kunden aus oder die Deadlines sind mal wieder viel zu eng gesetzt. Schnell rutschen Dienstleister dann in den Pessimismus-Modus.
Doch das Jammertal ist nicht der einzige Aufenthaltsort für Freiberufler. Und erst recht kein angenehmer. Daher möchte ich in diesem Beitrag von meiner Reise als Freelancer berichten und Tipps geben, wie Sie das Glück in der Freiberuflichkeit finden.
Ein holpriger Start ist normal
Ich kann mich noch gut an den ersten Brief des Finanzamtes in Zusammenhang mit meiner Selbstständigkeit erinnern: Endlich kam meine Steuernummer an! Für mich war das keine reine Formalität, sondern ein Meilenstein. Ich war jetzt offiziell Unternehmer, zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ohne Gewerbeschein.
Die ersten Aufträge, die über eine Agentur liefen, waren anspruchsvoll und spannend, aber auch hart. Ich verfasste Blogartikel für namhafte Unternehmen in der Elektronik- und Textilbranche und nutzte so meine kreative Leidenschaft, um Geld zu verdienen. Immer mit knappen Deadlines vor Augen. Dann lernte ich, was es bedeutete, wenn plötzlich keine Aufträge mehr nachkamen.
Heute weiß ich: Solche Veränderungen sind normal und sicherlich nichts, wofür Freelancer sich schämen müssen. Der Markt ist immer in Bewegung und das sollten Freiberufler auch sein, um sich auf Veränderungen vorzubereiten.
Tipp: Das Sprichwort „Aller Anfang ist schwer“ trifft auch auf die Freiberuflichkeit zu. Bleiben Sie einfach am Ball und vertrauen Sie darauf, dass mit der Zeit und genügend Fleiß bessere Phasen kommen.
Breit aufstellen oder spezialisieren?
In einem Imagefilm von Breuninger sagt die freie Fotografin Kate Jackling:
„Und es dreht sich auch nicht immer alles nur um Kunden. Es geht auch darum, dass Du Dich von dem nährst, womit Du angefangen hast.“
Mit anderen Worten: Bleiben Sie sich selbst treu. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen Freiberuflern, sondern machen Sie Ihr Ding. Ihre Zufriedenheit hängt maßgeblich davon ab, ob Sie gern tun, was sie tun. Das spüren Ihre Kunden.
Die Frage, ob eine breite Aufstellung oder eine Nische besser ist, muss jeder Freelancer für sich selbst beantworten. Auch wenn der Begriff der Scanner-Persönlichkeit umstritten ist: Ich persönlich fahre gut damit, mehrere Tätigkeitsbereiche abzudecken und habe Spaß an dieser Vielfalt.
Lernbereitschaft und Neugier als innerer Antrieb
Insbesondere bei Kreativleistungen halte ich es für essenziell, täglich über den Tellerrand hinauszublicken, neue Welten zu erkunden und dazuzulernen. Dies wirkt sich auf alle Ebenen der Freiberuflichkeit aus. Allerdings kann eine allzu breite Aufstellung den Eindruck der Oberflächlichkeit erwecken.
Klar, wer Design, Texten, Webentwicklung usw. anbietet, muss sich seine Zeit besonders gut einteilen. Doch Selbstorganisation lässt sich lernen, genau wie Disziplin und effektives Zeitmanagement.
Allen Vorurteilen zum Trotz können Freelancer durchaus in mehreren Bereichen glänzen. Einige sind vielseitig begabt, während andere spezialisiert auf ein ausgewähltes Thema sind. Beides hat seine Vor- und Nachteile.
In bestimmten Branchen greifen die Tätigkeiten auch ineinander: So sind Blogger in der Regel gute Texter und kennen sich mit WordPress oder ähnlichen Software-Lösungen aus. Diese Fähigkeiten fließen in ein starkes Portfolio, welches die Kundengewinnung begünstigt.
Tipp: Stechen Sie durch Qualität aus der Masse hervor und zeigen Sie den Wert Ihrer Leistungen in angemessenen Honoraren.
Verantwortung für sich übernehmen
Der Beschwerdeweg als Freelancer endet bei der eigenen Nasenspitze. Je eher Freiberufler sich darüber klarwerden, dass sie für sich selbst verantwortlich sind, desto mehr Leichtigkeit wird in den Freelancer-Alltag einkehren. Gesundes Essen, Sport, Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf, ein erfülltes Sozialleben – intuitiv wissen wir, welche Rahmenbedingungen für ein glückliches Leben als Freelancer notwendig sind. Und ignorieren sie viel zu häufig.
Freelancer stehen sich selbst im Weg, wenn sie sich das Feierabendgetränk mit Freunden verbieten. Oder Fast Food herunterschlingen, statt Gemüse für den Salat zu schnippeln. Indem sie Rechnungen nicht versenden, die Steuererklärung vor sich herschieben oder E-Mail-Anfragen potenzieller Kunden zu spät beantworten.
Eine fehlende Strategie ist ebenfalls ein weit verbreitetes Problem, das ich vor allem bei kreativ tätigen Freelancern beobachte, die sich ungern mit Zahlen, Businessplänen etc. beschäftigen. Buchhaltung macht ihnen weniger Spaß als Grafiken zu entwerfen oder Artikel zu schreiben. Das ist verständlich, gehört aber zum eigenverantwortlichen Freiberufler-Dasein dazu.
Mit der richtigen Strategie kommen die Kunden von selbst
Freelancer erreichen den Idealzustand, wenn die Kaltakquise nicht mehr oder kaum noch notwendig ist. Inbound Marketing lautet das Stichwort. Wer seine Zielgruppe mit einem spannenden Blog von sich überzeugen kann, darf sich über Anfragen freuen.
Einige Jobs habe ich auch über Empfehlungen bekommen. Diese Empfehlungen waren neben dem Quäntchen Glück das Ergebnis jahrelanger Vorbereitung. Und über diesen Zeitraum wusste ich nicht, ob sich die Arbeit online wie offline tatsächlich auszahlen würde.
Um nochmal auf das Thema Bloggen zurückzukommen: Hier buttern Freelancer erst einmal ordentlich rein, bevor Erfolge winken. Das ist nicht für jeden etwas. Ich kenne auch Freiberufler, die effektiv klassische Akquise betreiben. Oder einen Mix aus Inbound Marketing und aktiver Kundensuche betreiben.
Fest steht: Der Aufbau meiner Website inklusive Blog hat dafür gesorgt, dass diverse Redaktionen und eine der größten PR-Agentur Deutschlands auf mich aufmerksam wurden. Mit allen Institutionen arbeite ich bis heute zusammen.
Welche Wahl Sie auch treffen: Das Netz gibt uns Freelancern die Chance, neue Kooperationen zu schmieden. Denn trotz des damit einhergehenden Wettbewerbs wird eine erfolgreiche Zusammenarbeit über die eigene Region hinaus wahrscheinlicher. Freiberufler erweitern so ihr Netzwerk von ortsgebundenen Kontakten bis in die weite Welt.
Tipp: Verleihen Sie Ihrer Website ein frisches, responsives Design und fangen Sie mit dem Bloggen an. Schließlich suchen lt. Statistischem Bundesamt 77 Prozent der Deutschen im Netz nach Produkten und Dienstleistungen – also auch nach Ihnen!
Nicht alles ist rosig
Selbstverständlich ist auch die Freiberuflichkeit kein Paradies. So gut wie jeder Freelancer kennt die klassischen Herausforderungen: finanzielle Unsicherheiten, ergebnislose Akquise, fehlendes Budget, schlechte Kommunikation etc.
Schattenseite gibt es, keine Frage. Entscheidend ist aber der Umgang mit ihnen. Will ich mich als Freelancer von negativen Einflüssen runterziehen lassen? Oder begreife ich die Freiberuflichkeit als Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, spannendes und abwechslungsreiches Berufsleben zu gestalten?
Denn eines ist klar: Ohne die damit verbundenen Widrigkeiten hätte ich mich nicht weiterentwickelt. Freelance Start würde es heute nicht geben – ein Projekt, das angehende Freelancer dazu ermutigen möchte, ihren eigenen Weg einzuschlagen. Und auf dieser großartigen Reise alles zu lernen, was sie für eine erfolgreiche Freelancer-Karriere brauchen. Denn diese spannende Reise ist das wahre Glück der Freiberuflichkeit.
Guten Tag Herr Brückner,
ihrem Beitrag kann ich nur Beipflichten. Ich finde mich letztens immer öfter in der Position Angebote abzuwägen in der Form das ich in erster Linie meine Bildverarbeitungfirma aufbaue und parallel noch Entwicklertätigkeiten suche. Nun wird von den angebotenen Entwicklertätigkeit aber Vorort-Präsenz verlangt und das garantiert. Das wiederspricht meinen Konzept und würde den Aufbau meiner Firma im Weg stehen. Leicht ist das nicht da man natürlich ein “geordneteres” Arbeitsverhältniss hätte aber natürlich auch Abhängigkeiten und der Teufelskreis ist dann nicht mehr weit. Nach 6 Monaten oder gar 12 oder mehr ein neues Projekt zu finden….. stelle ich mir nicht so einfach vor. Mit den Hintergrund das man in den 2 und mehr Stunden Fahrzeit genauso seine Lösungen entwickeln könnte und diese Fahrzeit bei 60-70 € in der Stunde eher unbezahlt sind.
Da bestätigt ihr Bericht. So jetzt wieder fleissig weiter programmiert.
Gruß
Iannucci Markus
Guten Tag Herr Iannucci,
vielen Dank, auch für den spannenden Einblick in Ihre Arbeit. Das ist in der Tat ein Spagat, den ich in ähnlicher Weise ebenfalls kenne. Da hilft tatsächlich ein prüfender Blick auf die Kalkulation.
Viele Grüße
Benjamin Brückner
Hallo, Verantwortung für sich zu übernehmen bedeutet auch, für den Markt meines Gewerbes mit verantwortlich zu sein. Die Entwicklung in meinen 30 Berufsjahren nötigen mir den Aufruf in den Markt hinein, vom Pfad des Dumpinglohns abzubiegen. Schon viele kreative Branchen haben sich durch einen völlig undurchdachten Preiskampf selbst in den Keller der Armut gearbeitet. Weil sie einfach dabei sein wollten, sich Lohndumping aufzwingen ließen und ein jeder “den Strick für den anderen” knotete. Nach schwindenden Zeilenhonoraren aht sich jetzt Im kommerziellen Bereich die Abrechnung nach der Anzahl der geschriebenen Wörter durchgesetzt. Das ist fatal, alleine die Idee ist seltsam und zeigt, das gar nicht deutlich wird, worum es eigentlich beim kreativen Schreiben geht. Nicht die Wortzahl, sondern ein Stil, das Einfühlungsvermögen, die Kreativität, Ideen, Wortwitz, Recherche und ein passender Umgang mit der Sprache MUSS bezahlt werden und nicht die Anzahl der Wörter. Damit wird nur das Gegenteil erreicht, denn speziell beim Texten ist “weniger oft mehr”.
Nicht jede/r kann alles. Wie in anderen Branchen: nicht jeder Arzt ist ein guter Arzt, nicht jede/r Texter/in ist gut genug für den Markt. Die Kehrseite der Medaille ist genauso fatal und ähnlich wie bei Film, Fernsehen und Ernährung: Die Messlatte für Qualität wird immer tiefer gelegt, und irgendwann vermutet ein großer Teil der Masse, das “Sturm der Liebe” und “GZSZ” ganz großes deutsches Kino und das Oetker Fertiggericht ganz tolle deutsche Küche ist.
Nichts füpr ungut- ein Jede/r Neueinsteiger/in sollte einmal darüber nachdenken.
Hallo Carina,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, Freelancer bewegen sich stets in einem Gefüge. Ihr eigenes Verhalten inklusive Dumpingangebote hat Auswirkungen auf den Markt. Deshalb habe ich auch einen Beitrag zum Thema bei freelance.de dazu geschrieben:
https://www.freelance.de/blog/2016/03/02/freelancer-mit-qualitaet-so-vermeiden-sie-den-dumpingbereich/
Was das Texten angeht: Auch da stimme ich dir zu. Ein guter Text ist mehr als die Summe seiner Teile. Von daher sind Abrechnungen pro Wort bzw. pro Zeile höchst strittig.
Der Freelancer selbst sollte seinen Qualitätsmaßstab hoch anlegen. Einsteiger können meines Erachtens dennoch auf dem Markt sondieren und sich durch die Aufgaben weiterentwickeln. Dabei lohnt es sich meiner Erfahrung nach, fachlichen Rat von Profis einzuholen.
Viele Grüße
Benjamin Brückner