Die „Scheinselbstständigkeit“ ist als möglichst zu vermeidendes Schreckgespenst tief in den Köpfen vieler Soloselbstständiger verankert. Um was es bei der Problematik im Detail geht und wie sich eine Scheinselbstständigkeit vermeiden lässt, wissen aber die wenigsten. Frau Dr. Frauke Kamp der IHK für München und Oberbayern beantwortet die häufigsten Fragen zur Scheinselbstständigkeit:

Scheinselbstständigkeit – was ist das?
Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung ist „Scheinselbstständigkeit“ kein Rechtsbegriff. In den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften kommt dieser Begriff nicht vor. Vielmehr wird im vierten Sozialgesetzbuch (§ 7 Abs. 1 SGB IV) lediglich die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung vorgenommen. Abhängige Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach dem Gesetz die Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.
Und Scheinselbstständigkeit? Wie bereits erwähnt, sucht man diesen Begriff im Gesetz vergeblich. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff verwendet, wenn ein Auftragnehmer sich als Selbstständiger bezeichnet, obwohl die ausgeübte Tätigkeit nach dem Gesamtbild aller Umstände die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfüllt. Es handelt sich also um eine rechtlich unzutreffende Einordnung eines Vertragsverhältnisses.
Während die abhängige Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist, ist dies für selbstständige Tätigkeiten nicht der Fall. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass es sich bei einer „selbstständig“ ausgeübten Tätigkeit tatsächlich um eine abhängige Beschäftigung handelt, sind die bisher noch nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch für die Vergangenheit schuldet. Die Verjährung tritt erst nach Ablauf von vier Jahren, bei wissentlichem Vorenthalten der Sozialabgaben sogar erst nach 30 Jahren ein. Eine Erstattung des Arbeitnehmeranteils durch den Scheinselbstständigen selbst ist nur in sehr engen Grenzen möglich, so dass das finanzielle Risiko in erster Linie vom Auftraggeber zu tragen ist.
Bin ich scheinselbstständig?
Dies ist die häufigste Frage aus der Beratungspraxis – und die komplexeste. Sie lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. Vielmehr müssen erst einmal umfassend alle tatsächlichen Umstände des Einzelfalls abgefragt werden, um festzustellen, ob eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers zu bejahen ist. Dabei kommt es in erster Linie auf die rein tatsächlichen Verhältnisse an: „Wie wird das Vertragsverhältnis gelebt?“ Die Bezeichnung im Vertrag ist dagegen nicht entscheidend.
Es sind alle Indizien des Einzelfalls zu berücksichtigen und in einer Gesamtbetrachtung gegeneinander abzuwägen. Für eine abhängige Beschäftigung, also die Scheinselbstständigkeit, sprechen zum Beispiel genaue Vorgaben zu Arbeitszeit und –ort, die Einbindung in ein betriebliches Abstimmungs- und Berichtswesen, die Nutzung ausschließlich arbeitgebereigener Arbeitsmittel oder auch das Tragen einer speziellen unternehmenseigenen Dienstkleidung. Für eine zutreffend als selbstständig eingeordnete Tätigkeit sprechen dagegen Aspekte wie die freie Wahl von Arbeitszeit- und Ort, der Einsatz eigener Arbeitsmittel aber auch das Vorhandensein eines eigenen Unternehmensauftritts, die Übernahme von eigenen unternehmerischen Chancen und Risiken oder auch Vergütung, die erheblich über der für einen Arbeitnehmer üblichen liegt. Die Liste der zu berücksichtigen Indizien lässt sich je nach Einzelfall beliebig fortsetzen.
Wie muss mein Vertrag aussehen, damit ich nicht scheinselbstständig bin?
Den Mustervertrag, der eine Scheinselbstständigkeit sicher ausschließt, gibt es nicht. Denn es kommt auf die tatsächliche Vertragspraxis an. Auch ein noch so sorgfältig formulierter Vertrag schützt daher nicht vor Scheinselbstständigkeit, wenn rein tatsächlich Weisungsgebundenheit und Einordnung in den Betrieb des Auftraggebers zu bejahen sind. Aber natürlich ist es sinnvoll, solche Aspekte ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen, die tatsächlich für eine Selbstständigkeit sprechen. Ist der Selbstständige etwa in der Wahl von Arbeitszeit und Arbeitsort frei, müsste das zwar nicht notwendigerweise ausdrücklich im Vertrag stehen. Unter dem Aspekt einer möglichen Scheinselbstständigkeit ist es aber sinnvoll, diese Freiheit explizit in den Vertrag aufzunehmen.
Ich habe nur einen Auftraggeber. Also bin ich scheinselbstständig?
Nein, nicht unbedingt. Zunächst einmal gibt es keine „K.O.-Kriterien“. Es sind stets alle Umstände zu berücksichtigen. Gibt es nur einen Auftraggeber, kann je nach sonstigen Umständen eine Selbstständigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegen.
Die rechtliche Einordnung bezieht sich immer nur auf ein konkretes Vertragsverhältnis. Das Vorliegen möglicher weiterer Aufträge kann lediglich ein Indiz für eine Selbstständigkeit sein, schließt aber die Scheinselbstständigkeit auch nicht absolut aus. Es kommt vielmehr darauf an, ob der (Schein-)Selbstständige tatsächlich unternehmerische Freiheiten hat, es ihm also zum Beispiel möglich ist, weitere Aufträge desselben Vertragspartners abzulehnen oder neue Auftraggeber zu akquirieren. Aus der reinen Anzahl von Auftraggebern allein lässt sich nicht auf den Status schließen. Auch wer nach der Unternehmensgründung seinen ersten (und naturgemäß noch einzigen) Auftrag annimmt, kann selbstständig sein.
Wie stelle ich sicher fest, ob ich scheinselbstständig bin?
Es gibt das sogenannte Statusfeststellungsverfahren bei der DRV (Deutsche Rentenversicherung). Auftraggeber oder Auftragnehmer können in diesem Verfahren bei Zweifeln am Status (selbstständig oder abhängig beschäftigt) eine Feststellung durch die DRV beantragen. Zu beachten ist, dass die Feststellung immer nur für ein konkretes Vertragsverhältnis erfolgt und das Verfahren meist mehrere Monate in Anspruch nimmt. Für Aufträge mit kleinem Umfang oder kurzer Dauer ist das Statusfeststellungsverfahren daher nur bedingt praxistauglich. Und: Wegen der rechtlichen Komplexität der Materie und der u. U. weitreichenden Rechtsfolgen ist zu empfehlen, ein solches Verfahren nur mit Unterstützung durch einen versierten Rechtsanwalt durchzuführen.
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